Bedingt durch meine eigene jahrelang unerkannte und damit chronische Borreliose ist mir bewußt geworden, welchen Einfluß die Psyche auf die Gesundheit hat. Diese Erfahrung habe ich in diesem Artikel zusammengefaßt. Ich würde mich sehr freuen, wenn meine Ausführungen den einen oder anderen Leser und Mitbetroffenen zum Nachdenken anregen würden und er oder sie vielleicht so seinen bzw. ihren ganz persönlichen Weg zur Heilung finden könnte.
 
 

Ursache und Wirkung einer chronischen Erkrankung

 am Beispiel der Lyme-Borreliose

 

 von Maya Mayruff

März 2003


 1  Zusammenfassung
 2  Infektiologische Ursachen
 3  Psychische Ursachen
 4  Auswirkungen chronischer Infektionen (hier der Borreliose)
    und Rückwirkungen psychischer Dauerkonflikte auf den Körper
 5  Wege aus der Krise
 6  Danksagung
 

1. Zusammenfassung

 Die organische Ursache einer Borreliose ist eine Infektion mit der Spirochäte Borrelia burgdorferi, die psychische Ursache könnte in der Schwächung des Immunsystems durch einen im Unterbewusstsein verborgenen psychischen Konflikt liegen. Die psychischen Auswirkungen einer Borreliose sind von einer organischen unbedingt zu trennen; letztere verschwinden in der Regel durch eine angemessene organische Behandlung der Borreliose. Die psychischen Ursachen der Schwächung des Immunsystems, die eine gesteigerte Krankheitsbereitschaft zur Folge haben können, können nur durch Bewusstmachung des Grundkonfliktes und Arbeit an ihm behoben werden. Es werden Wege aufgezeigt, wie diese Arbeit aussehen könnte.
 

2. Infektiologische Ursachen

 Bevor ich auf die psychischen Ursachen und Wirkungen einer Lyme-Borreliose, im folgenden kurz Borreliose genannt, eingehe, hier eine kurze Beschreibung der organischen Ursache für diejenigen, die diese Erkrankung noch nicht kennen. Alle anderen mögen diesen Abschnitt einfach übergehen.

 Die bakterielle Infektionskrankheit Borreliose wird von einer Spirochäte, einem schraubenförmigen Bakterium namens Borrelia burgdorferi verursacht und ist eng mit der Syphilis verwandt. Übertragen wird diese Krankheit von Zecken, aber auch von anderen Vektoren wie Bremsen und Stechmücken wurde berichtet. Eindeutiges Merkmal einer Borreliose ist die sich ringförmig ausbreitende Rötung (Erythema Migrans). Diese erscheint aber bei höchstens 30 - 50 % aller Betroffenen. Man kann also auch ohne diese Rötung betroffen sein. Der serologische Nachweis ist schwierig und der Arzt ist hier vor allem auf die klinische Diagnose angewiesen. Erste Symptome einer Borreliose neben dem eventuellen Erythema Migrans können grippe-ähnliche Symptome, Fieber und/oder gastro-intestinale Beschwerden sein. Diese Symptome treten charakteristisch in Schüben von vier Wochen auf, bei Frauen häufig zur Zeit der Menstruation.

 Bitte suchen Sie einen borreliosekundigen Arzt auf, wenn Sie glauben, an Borreliose erkrankt zu sein, und informieren Sie sich gründlich über diese Krankheit durch Literatur, Internet (z. B. www.borreliose.org oder den Kontakt zu Selbsthilfegruppen (www.borreliose.de).
 

3. Psychische Ursachen

 Jede Krankheit hat neben dem körperlich-materiellen auch einen psychischen und einen spirituellen Aspekt. Wir werden nicht ohne psychischen oder spirituellen Anlaß krank. Kritiker meinen zu Recht, dass Erreger (Viren, Bakterien, Pilze u. ä.) an vielen Erkrankungen beteiligt seien und dass diese die einzig mögliche Ursache f&uum;r eine Erkrankung sind. Der Einwand könnte zutreffen. Was aber ist dann mit den Menschen, die Erregern ausgesetzt waren und nicht erkrankten? Was ist bei diesen anders? Hatten diese einfach nur Glück oder steckt da etwas anderes dahinter? Auch hier wird recht bald der Einwand kommen, dass bei diesen das Immunsystem besser funktioniere. Die Frage lautet aber: Warum funktioniert das Immunsystem beim der einen Person besser als bei der anderen? Und genau hier scheiden sich die Geister. Während die o.g. Kritiker der bequemen Theorie folgen, daran seien dann eben die Gene schuld, erkennen andere einen Zusammenhang zwischen Psyche und Immunsystem (externe Attribution/interne Attribution).

 Seit etwa 20 Jahren gibt es einen Wissenschaftszweig, der sich explizit mit organismischen Wechselwirkungen beschäftigt: Die Psycho-Neuro-Immunologie geht der Frage nach, wie die Kommunikation zwischen dem Zentralen Nervensystem (ZNS) und dem Immunsystem beschaffen ist. Es stellte sich heraus, dass das sogenannte autonome Nervensystem (ein Bestandteil des ZNS) nicht wie bisher angenommen autonom (d.h. vollkommen unabhängig) arbeitet, sondern eng mit dem Immunsystem verbunden ist. Das Immunsystem und das Hormonsystem sind auch eng miteinander verflochten: Bestimmte Botenstoffe (Peptide) werden nicht nur vom Gehirn, dem Immun- oder Hormonsystem hergestellt, sondern auch von anderen Organen wie z. B. Magen, Darm, Nieren, Herz, u.a. Die Psycho-Neuro-Immunologie weist somit weitreichende organismische Wechselwirkungen nach: Eine säuberlich getrennte Funktionalität einzelner Organsysteme entspricht nicht, wie bisher angenommen, den Tatsachen.

 Dem Volksmund sind Zusammenhänge zwischen Psyche und Krankheiten offensichtlich, wie an den Idiomen "etwas auf dem Herzen haben," "etwas im Halse stecken haben," "etwas geht einem an die Nieren" erkenntlich ist. Medizinisch ist dies auch belegt: So wurde im limbischen System (d. i. eine Stelle im Zwischenhirn, zuständig für die Verarbeitung der Gefühle) eine erhöhte Konzentration von Neuro- und Immunopeptiden gefunden und in verschiedenen Experimenten wurde nachgewiesen, dass das Immunsystem mit den anderen Organsystemen zusammenhängt. Bereits in der Traditionellen Chinesischen Medizin, dem Ayurveda oder auch anderen eher spirituellen Lehren geht man seit langem davon aus, dass es keine Trennung zwischen Psyche und Körper gibt, sondern dass beides miteinander in enger Wechselwirkung steht.

 Ein Mensch wird geboren, wächst heran. Jedes Kind kommt mit Träumen und Hoffnungen, was es einmal mit seinem Leben anfangen will, auf diese Welt. Mit der Zeit erkennt es, dass manches davon wahr werden könnte, manches aber auch nicht, aus den unterschiedlichsten Gründen. Meist passt es sich an und versucht, ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft zu werden, was dem einen mehr gelingt als dem anderen. Die Gründe hierfr sind vielfältig. Charakterliche Anlagen, die schon zitierten Gene, das soziale Umfeld, die Chancen auf Bildung, politische Verhältnisse usw. spielen hier eine gro&zslig;e Rolle. Und dennoch gibt es auch in Gesellschaften, in denen ein heranwachsender Mensch alle Chancen hat, Personen, die nie zufrieden sind und ständig kränkeln und in Gesellschaften, in denen harte Bedingungen herrschen, gibt es trotzdem Personen, die immer zufrieden und gesund durchs Leben gehen. Wie kommt das? Auch wieder nur das Immunsystem?

 Durch meine eigene Borreliose-Erkrankung habe ich erfahren, dass es sinnlos ist, nur den Körper zu heilen, die körperlichen Symptome anzugehen und die Psyche dabei unberücksichtigt zu lassen. Ich habe einfach ausprobiert ob es stimmt, was gesagt wird dass nämlich Körper und Seele eng zusammenhängen. Heilt man nur den Körper, erscheint meistens alsbald eine neue Erkrankung, oft komplizierter als die vorherige. Heilt man aber auch die Seele, so hat man eine gute Chance, dauerhaft gesund zu werden und zu bleiben. Bereits Hippokrates hat dies vor zweitausend Jahren gewusst und gesagt: "Wenn ein Mensch zu dir kommt und dich um Heilung bittet, so frage ihn, ob er bereit ist, auf die Ursache seiner Erkrankung zu verzichten. Ist er das nicht, so darfst du ihn nicht heilen." Damit hat Hippokrates etwas sehr wichtiges angesprochen dass nämlich jede Heilung eine Grundvoraussetzung hat, und das ist der absolute Wille, wieder gesund werden zu wollen. Ist dieser Wille unterschwellig nicht vorhanden, kann (und darf) niemand heil werden. Das bedeutet aber nicht, dass nun nichts mehr zu machen ist selbstverständlich kann man durch geeignete therapeutische Maßnahmen diesen Heilungswillen hervorholen.

 Folgender Mechanismus führt zu einer Chronifizierung, d.h. dauerhaften Zustandsverschlechterung: Ein Mensch erkennt, dass er ein Problem hat - vielleicht mit seinem Partner oder am Arbeitsplatz, mit den Eltern, an der Schule oder ähnliches, d. h. er oder sie hat ein pychosoziales Problem. Und nun fasst dieser Mensch - meist unterbewußt - den Entschluss, sich mit diesem Problem "jetzt" nicht weiter auseinanderzusetzen, ja vielleicht hofft er gar, durch dieses Ignorieren würde das Problem von selbst verschwinden. Doch diese Vogel-Strauss-Politik hat Folgen, nämlich eine dauerhafte Beeinträchtigung des Immunsystems. In einfachen Fällen mag sich die/der Betroffene vielleicht nur eine Erkältung einfangen. In schwierigeren Fällen, d. h. wenn sich diese Verhaltensweisen wiederholen und/oder länger dauern, steuert sie/er gar auf eine Borreliose (oder eine andere schwere Erkrankung) zu. Jeder/jede weiss, dass sich pychosoziale Probleme nicht dadurch lösen lassen, dass man sie totschweigt und ignoriert. Meistens werden sie dadurch nur schlimmer, und es ist besser für alle Beteiligten, Kummer und Ärger sofort auszudrücken und eine Lösung herbeizuführen, möglichst nah am Zeitpunkt des Entstehens und möglichst direkt mit den Beteiligten. Damit meine ich nicht, dass man sofort zuschlagen sollte und seinem Ärger Luft machen, so wie man es in schlechten Hollywood-Filmen zu sehen bekommt. Was ich meine ist etwas anderes, nämlich das Wahrnehmen der eigenen Bedürfnisse und das Ausdrücken der eigenen Gefühle, um diesen Bedürfnissen und Gefhlen jederzeit gerecht werden zu können.

 Nun gibt es Menschen, für die ist das kein Problem. Sie gehen offen auf ihr Gegenüber zu und vertreten freundlich aber bestimmt ihre Position, ohne andere mehr als notwendig zu verletzen. Vielleicht haben diese Menschen das Glück gehabt, in einer respektvollen Umgebung lernen zu können, wie man richtig streitet. Dann wieder gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen, die keine gesunderhaltende Streitkultur erlernt haben. Dafür gibt es viele Gründe: Oft steckt eine Überangepasstheit dahinter, die ihre Wurzeln in einer als lieblos empfundenen Kindheit hat. Doch welchen Grund die Überangepasstheit bzw. mangelnde Streitkultur auch haben mag, ist dieses Verhalten ausgesprochen schädlich für das Immunsystem. Jeder Konflikt, der ungeklärt in uns schlummert, veranlasst nicht nur unsere Nebennieren, vermehrt Adrenalin auszuschütten, er bindet allgemein unsere Lebenskraft/Aufmerksamkeit. Wir sind gehalten, mit unserer Lebenskraft achtsam umzugehen. Wenn wir aber einen ungelösten Konflikt in uns bergen, sind wir gezwungen, immer an unser Problem zu denken, und wenn es lediglich in der Form ist, dass wir beschlossen haben, eben nicht mehr daran zu denken. Wie wir nach einiger Zeit feststellen werden, geht das jedoch nicht. Ein einfaches Experiment mag das verdeutlichen: Denken Sie doch bitte jetzt nicht an einen rosa Elefanten. Dieses bekannte Beispiel zeigt genau, was ich meine. Selbst wenn wir uns vornehmen, etwas nicht zu tun, so tun wir es doch, denn unser Unterbewusstsein (ich verwende dieses Wort hier als Ausdruck für die Instititution in uns, die manche das Höhere Selbst, andere den Göttlichen Funken und wieder andere das Ich nennen und das immer genau weiss, was gut für uns ist - auch wenn wir das momentan vergessen haben - nämlich unsere Seele), dieses Unterbewusstsein also kann nur in Bildern denken und die Wörter "nicht" und "kein" sind ihm gänzlich unbekannt. Dadurch geben wir nun unsere Energie dorthin, obwohl wir das gar nicht wollen. Die uns zur Verfügung stehende Energie steht dann für unser momentanes Leben nicht mehr zur Verfügung, jedenfalls haben wir nicht genug davon, um gesund zu bleiben, da ein Großteil der Energie darauf verwendet werden muss, unsere Probleme unter der Oberfläche zu halten wie eine mit Luft gefällte Gummi-Ente mit Gewalt unter Wasser gedrückt werden muss, und wenn wir auch nur eine Sekunde mit unserer Aufmerksamkeit nachlassen, schnellt sie nach oben. Genauso verhält es sich mit unseren Problemen, die wir nicht wahrhaben wollen, die wir ignorieren und uns "wegwünschen."

 Nun aber verhält sich die Natur um uns herum opportunistisch, das heisst, jedes Lebewesen sucht seine Chance auf seinen Lebensraum und nutzt sie. Das hat nichts mit Gut und Böse zu tun, das ist einfach nur Natur. Und so kommt es, dass opportunistische Erreger, wie es Viren, Bakterien und Pilze nun einmal sind, in diesem Moment die Oberhand gewinnen und sich Zutritt zu unserem Körper verschaffen können; denn wir als der Bewohner dieses Körpers sind ja gerade damit beschäftigt, etwas anderes zu tun. Wir sind nämlich damit beschäftigt, etwas, das in der Vergangenheit seine Wurzeln hat, nicht zu beachten, damit es uns heute nicht mehr stören möge. Wie das schon zitierte Beispiel mit dem rosa Elefanten zeigt, ist das nicht machbar, es ist eine Illusion. Unser Körper hingegen, als einziges Ausdrucksmittel unserer Seele, ist viel weiser als unser Bewusstsein und zeigt uns nun sehr deutlich durch eine Erkrankung, dass wir einen Fehler machen, dass in unserer Seele etwas ganz und garnicht in Ordnung ist. Erkennen wir die Zeichen hier sofort und setzen uns mit uns selbst auseinander (und behandeln wir den Körper entsprechend), können wir an dieser Stelle das Schicksal meistens wenden und wieder heil werden. Erkennen wir diesen Mechanismus aber nicht und glauben weiterhin, dass nur die Bakterien/Viren/Pilze schuld an unserem Zustand sind, und wir als ihre Opfer keinen Einfluss nehmen können, können wir auch nicht wirklich Heilung erlangen. Wir werden im gänstigsten Fall diese Erkrankung durch eine andere ersetzen, aber wirklich gesund werden wir nicht.
 

4. Auswirkungen chronischer Infektionen (hier der Borreliose)

     und Rückwirkungen psychischer Dauerkonflikte auf den Körper

 Durch die Schädigung des Gehirns, insbesondere bei der Neuroborreliose, kommt es nun zusätzlich zu einem sogenannten Psychosyndrom (http://www.gesundheit.de/roche/ "Psychosyndrom" angeben). Dies geschieht durch die Schädigung des Gehirns mit Noxen, also schädlichen Einwirkungen, durch die sich die organische/körperliche Krankheit erst bildet. Im Falle der Borreliose (und vieler anderer Infektionskrankheiten auch) dürfte es sich dabei mit allergrösster Wahrscheinlichkeit um Neurotoxine handeln, insgesamt gesehen sind die Ursachen für eine Vergiftung des Gehirns aber ässerst vielfältig.

 Von der Syphilis - mit der die Borreliose ja eng verwandt ist - ist bekannt, dass diese durch eine Infektion des Zentralen Nervensystems eine Vielzahl neuro-psychiatrischer Symptome verursacht, die nur ässerst schwer von wirklich psychischen Erkrankungen wie z. B. einer Depression oder Panikstörung zu unterscheiden sind. Aufgrund klinischer Beobachtung nimmt man daher heute an, dass dies auch auf die Neuroborreliose zutrifft. Dr. Brian A. Fallon et. al. beschreiben dies sehr ausführlich (deutsche Übersetzung bei www.borreliose-berlin.de) und deswegen zitiere ich hier nur einige der Symptome: Merkfähigkeitsstörungen, Orientierungsstörungen, Denkstörungen (besonders der Kritik- und Urteilsfähigkeit), Überempfindlichkeit gegen Gerüche, Geräusche und vor allem Licht, ein Unvermögen, Gefühle angemessen zum Ausdruck zu bringen ("affektive Inkontinenz"), Antriebslosigkeit und viele viele andere.

 Man muss im Falle einer schweren (chronischen) Erkrankung, insbesondere bei der Borreliose, also unbedingt unterscheiden zwischen der Ursache (nämlich der meist unbewussten Ablehnung, sich gerade jetzt mit einem psychischen Problem zu beschäftigen) und der Wirkung (nämlich dem Psychosyndrom). Es macht keinen Sinn, dem Patienten zu sagen, seine Erkankung "sei psychosomatisch," denn erstens stimmt das nicht, bezeugt nur das Unwissen des Diagnosestellenden und stigmatisiert damit den Patienten, und zweitens entwickelt gerade der Borreliosepatient eine Vielzahl von psychischen Symptomen, die als Folge der organischen Erkrankung anzusehen sind. In einem ausführlichen Anamnesegespräch kann hier sehr schnell eine Abgrenzung bzw. Unterscheidung zwischen der Ursache (nämlich dem psychischen Grundkonflikt) und der Wirkung (nämlich der psychogenen Auswirkung der chronischen Infektion) erreicht werden. Und nicht zuletzt wird durch die falsche Diagnose eine angemessene medizinische Behandlung der Grunderkrankung verhindert bzw. stark erschwert, was dann sehr häufig erst zur Chronifizierung führt.

 Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Leugnen, das Nichtwahrhabenwollen eines psychischen Konfliktes das Immunsystem so schwächen kann, dass opportunistischen Erregern Tür und Tor geöffnet wird, und dass dann als Folge dieser entstehenden organischen Erkrankung ein Psychosyndrom entsteht, das von einer wirklichen psychischen Erkrankung nur schwer zu unterscheiden ist.

 Im Klartext heisst das, ein Betroffener kann sich nichts merken, sich auf nichts konzentrieren, hat kein Interesse an seiner Umwelt - oder er versteift sich auf Kleinigkeiten und ist unfähig, den grossen Zusammenhang zu sehen, er leidet an Depressionen und auch an Persönlichkeitsveränderungen, insbesondere Borderline-ähnlichen Persönlichkeitsstörungen. Er hat Impulskontrolldurchbräche, Wahnvorstellungen, ist eher kindisch, labil, nimmt keine Rücksicht, hat kein Zartgefühl, er leidet an Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und Zittern und vorhandene Persönlichkeitsstrukturen können sich extrem verstärken (z.B. ein einst nur sparsamer Mensch wird nun extrem geizig).

 Die eigentliche Ursache für die oft auffallenden psychischen Veräderungen bei längerer und/oder chronischer bzw. schwerer Krankheit ist also die Krankheit selbst und die Symptome verschwinden in der Regel vollständig durch die Behandlung der organischen Erkrankung, nicht aber die eigentliche Grundursache für die Erkrankung selbst bzw. die Erkrankungsbereitschaft. Es sind hier zwei Dinge eng miteinander verknüpft, und im akuten Stadium der Erkrankung auch nur schwer zu trennen. Diese Ursache kann man nur herausfinden, in dem man sich mit sich selbst beschäftigt, seinen eigenen "blinden Fleck,"seine Schattenseiten, seine ungeliebten und verleugneten Eigenschaften sucht und findet, und sich diesen Unzulänglichkeiten bewußt stellt. Nur durch eine Bewußtmachung der eigenen Verhaltenweisen und ihrer Akzeptanz kann man so auf die Ursache einer vorhandenen "Krankheitsbereitschaft" stossen.
 

5. Wege aus der Krise

 Was kann nun ein Betroffener tun? Oberstes Gebot ist hier sich klarzumachen, dass man selbst in so einer Situation meistens nicht beurteilen kann, ob man ein psychisches Problem hat oder eben nicht. Und hier spreche ich nicht nur als Therapeutin sondern vor allem als Betroffene aus eigener Erfahrung. Man kann selbst vielleicht versuchen, einen gewissen "roten Faden" in seiner Biografie zu finden, in dem man sich selbst fragt, was ist mir wann, warum passiert. Man kann weiter nachforschen, wo das Selbstbild mit dem Bild, das andere von uns haben, nicht deckungsgleich ist. Wo sehen wir uns besser bzw. anders, als die anderen uns sehen? Welchen Fehlern und Mängeln weichen wir aus, was wollen wir an uns selbst nicht wahrhaben, wo glauben wir, immer perfekt sein zu müssen? Bei der Beantwortung all dieser Fragen ist unbedingte Ehrlichkeit mit sich selbst notwendig, was vielen Menschen jedoch sehr schwerfällt. So bleibt einem Betroffenen letztlich nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass all die Dinge, die ihm geschehen, eine bestimmte Ursache und einen bestimmten Sinn haben, den er momentan aber nicht alleine sehen und erkennen kann, so sehr er sich selbst auch bemüht hat, und dass er daher Hilfe braucht. Diesen Schritt machen zu müssen mag für viele Betroffene ein unerträglicher Gedanke sein, aber er ist unbedingt notwendig. Fehlt diese Einsicht, alleine nicht mehr weiterzukommen, kann auch der beste Therapeut und Arzt nicht weiterhelfen. Jede Behandlung wird dann an der Oberfläche bleiben und das eigentliche Problem gar nicht erreichen. Die Erfahrung zeigt hier, dass der oder die Erkrankte dann einfach noch nicht reif ist für eine wirkliche Veränderung in seinem bzw. ihrem Leben.

 Die Erfahrung zeigt weiter, dass der zweite wichtige Schritt auf dem Weg zur Heilung der ist, die Verantwortung für sein Leben selbst zu übernehmen und damit aufzuhören darauf zu warten, dass es irgendjemanden auf dieser Welt gibt, der schon dafür sorgen wird, dass alles wieder gut wird. Nichts wird gut, wenn wir es nicht selber tun! Ein dritter Schritt könnte so aussehen, dass man versucht, andere Wege zu gehen, als die bisherigen, denn man kann seine Probleme unmöglich mit denselben Methoden lösen, die zu ihrer Entstehung beigetragen haben. Ein vierter Schritt wäre anzuerkennen, dass jeder Mensch mehr ist, als eine grössere Ansammlung von Zellen, die nach gewissen physikalischen und biochemischen Regelmässigkeiten funktionieren, sondern ein lebendiges Wesen, eingebettet in eine lebendige Natur und damit ein Teil von ihr und somit nicht zuletzt auch ein spirituelles Wesen. Wir sind nicht unser Körper, wir haben einen Körper.

 Erst wenn das Individuum Mensch erkennt und lebt, - dass es nicht nur aus Körper und Verstand besteht, sondern auch Gefühl und Spiritualität ist, kann es wieder "ganz" (also heil) werden. Denn jede Erkrankung ist aus dieser Sicht betrachtet lediglich ein Anzeiger dafür, wie weit wir aus dieser Ganzheit herausgefallen sind. Ganz konkret hei&zslig;t das, dass eine längere vor allem chronische Erkrankung immer ein Ausdruck des Körpers ist für ein Problem, das ein Betroffener nicht anders wahrzunehmen im Stande ist. Das ist weder gut noch schlecht, es ist lediglich so wie es ist und es wäre jetzt sinnvoll anzuerkennen, dass man als Betroffener nun Hilfe braucht, weil man es alleine nicht mehr schafft. Aufgrund der Erkenntnis, dass ein Mensch eben nicht nur der schon zitierte materialistische Zellhaufen ist, sondern ein spirituelles Wesen, macht es keinen Sinn, nur den Körper und den Verstand zu behandeln, das Gefühl und die Spiritualität jedoch, die ja ebenfalls gleichberechtigte Teile unseres Selbst sind, aber zu ignorieren - nur weil das in unserer momentanen Gesellschaft gerade modern ist. Ich erinnere hier nur an die momentane Mode der Botox-Parties und Schönheitsoperationen, den Body-Fitness-Kult und die Tatsache, dass Jugend und vermeintliche Schönheit höher bewertet werden als Alter und Lebenserfahrung.

 In direktem persönlichen Kontakt mit anderen Betroffenen kann man leicht herausfinden, wie diese über Gesundungswege denken und damit umgehen. Vergleiche nach dem Motto "besser/schlechter" sind jedoch zu vermeiden, sie schaden nur. Sehr wertvoll sind auch die Erfahrungen, über die Geheilte zu berichten haben wenn sie auch manchmal abenteuerlich klingen mögen. Auch hier gilt es, diese Erfahrungen nicht zu bewerten sondern einfach anzuhören und sie auf sich wirken zu lassen.

 Der wichtigste Rat aber, den ich Betroffenen geben möchte wäre, dass sie sich Zeit dafür nehmen, dass sie wieder Mut fassen und dass sie andere Wege gehen als bisher und vor allem: dass sie anfangen, sich selbst zu mögen. Das hört sich komplizierter an, als es ist - das weiß ich aus eigener Erfahrung. Der erste Schritt war für mich aufzuhören, perfekt sein zu wollen, es allen recht machen zu müssen, nur das zu tun, was ohne Risiko ist. Stattdessen fing ich an herauszufinden, wer ich wirklich bin und was ich wirklich will. Ich begann also, mich mit mir selbst zu beschäftigen. Und erst da konnte ich überhaupt daran denken, wieder heil werden zu können.

 Wie ich schon weiter oben ausführte, ist hier meistens die Hilfe eines Therapeuten erforderlich, wobei es nicht immer ein Psychotherapeut sein muss. Massagen, die von einem psychotherapeutisch geschulten Masseur verabreicht werden, eine Körpertherapie oder auch das gute alte Autogene Training können eine ebensogute Hilfe sein. Wenn man einen Psychotherapeuten aufsucht, so sollte man aber darauf achten, ob man mit diesem Therapeuten zurechtkommt, ob man mit diesem Menschen die nächsten Monate, vielleicht auch ein oder zwei Jahre, arbeiten kann. Dabei ist es nach meiner Erfahrung zweitrangig, welche Ausbildung dieser Therapeut hat. Viel wichtiger ist es, auf sein "Bauchgefühl" zu achten und genau hinzuspüren, ob man sich bei diesem oder jenem Therapeuten, mit dieser oder jener Therapie, wohler fühlt. Ich warne hier an dieser Stelle ausdrücklich davor, ohne all diese Vorarbeit zu einem Therapeuten zu gehen und sich dann von diesem Therapeuten Hilfe zu erhoffen, so nach dem Motto "der wird es schon richten." Wenn man an den psychischen Ursachen seiner Erkrankung arbeiten will, um wirklich wieder gesund zu werden, muss man unbedingt selbst etwas dafür tun. Eine kindlich-konsumierende Haltung ist gerade hier äußerst schädlich und führt uns, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, niemals zum Ziel. Es gibt hier keine Abkürzung! Erst wenn wir anfangen, die Verantwortung für unser eigenes Leben auch selbst zu tragen, und das bedeutet nichts anderes, als damit aufzuhören, darauf zu warten, dass irgendwann einmal jemand kommen wird, der alles für uns tun wird, erst dann können wir nicht nur erwachsen sondern auch gesund werden - und bleiben.

 Wenn jedoch Psychotherapie für den einen oder anderen Betroffenen - zunächst - nicht die richtige Therapieform zu sein scheint oder die Hürde einfach noch zu hoch ist, so rate ich zu einer Körpertherapie. Viele Menschen finden durch die direkte Wahrnehmung ihres Körpers in einer Körpertherapie auch wieder Zugang zu ihrer Psyche. Die Angebote hierfür sind äusserst vielfältig und reichen von reiner Entspannungstherapie wie Autogenem Training (www.dgaehat.de) über Bioenergetik, Feldenkrais (www.feldenkrais.de), Massagen, Atemtherapie (www.meine-gesundheit.de/198.0.html), Gesangsunterricht, Yoga, Chi Gong oder auch Kampfsportarten wie z. B. Karate oder Taek Won Do. Man macht einfach das, was einem am meisten zusagt.

 Aus eigener Erfahrung noch ein kleiner Hinweis zum Schluss. Ein Betroffener kann und sollte sich vieles anhören wenn er sich einmal zu einer Therapie entschlossen hat, aber es ist unbedingt wichtig, in jedem Augenblick die Verantwortung für sein Leben selbst in der Hand zu behalten. Niemand anderes kann und wird so gut für uns sorgen können, wie wir es selbst tun können - und wenn die Versprechungen noch so verlockend klingen mögen. Gerade in der Therapie ist bei vollmundigen Versprechungen höchste Vorsicht angebracht. Auch der beste Therapeut wird lediglich ein Wegweiser bzw. Wegbegleiter sein können, sofern er seine Aufgabe wirklich ernstnimmt. Auch der beste Therapeut hat keine Chance, wenn der Patient erwartet, der Therapeut könne und würde ihm sagen, was zu tun sei. Das ist nicht Aufgabe eines Therapeuten. Aber ein guter Therapeut wird einem Betroffenen dabei helfen können, seinen eigenen Kern, sein eigenes Lebensmuster wiederzufinden, es unter all den Schichten wieder hervorzuholen, unter denen es verborgen ist, damit der Patient anfangen kann, sein eigenes Leben zu leben; das Leben, das extra dafür geschenkt worden ist. Der Zeitpunkt, hiermit anzufangen, ist ohne Bedeutung. Wichtig ist es nur, anzufangen. Denn: auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
 

6. Danksagung

 Ich danke meiner Mentorin, ohne die ich diesen Artikel gar nicht hätte schreiben können, sowie meinen beiden Ärztinnen, ohne die ich nicht gesund geworden wäre, und nicht zuletzt meinen Fachkollegen, die mich  beraten und mit unermüdlicher Geduld meine Texte korrigiert haben.
Version: März 2003
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Joachim Gruber